Mit Regrouping setzt Ramaya Tegegne ihre Auseinandersetzung mit vorherrschenden Mechanismen in der Kunst fort, indem sie deren Ökonomie, Zirkulation und Historisierung sowie jene Machtverhältnisse untersucht, durch die das Kunstfeld konstituiert und aufrechterhalten wird. Für ihre Ausstellung bei Kevin Space greift Tegegne verschiedene Bereiche aus Kunstgeschichte und Film auf und richtet dabei ihren Fokus auf Praktiken aktivistischer Künstler/innen und Kollektive. Die Ausstellung entlehnt ihren Titel von Lizzie Bordens gleichnamigem Essayfilm aus dem Jahr 1976, in dem die Intimität und Dynamik einer kleinen Gruppe von vier Künstlerinnen sowie die einer breiteren Gruppe untersucht werden, die sich dem „consciousness-raising” verschrieben hat: einer Form des Aktivismus, die in den späten 60er Jahren durch amerikanische Feminist/innen begründet und bekannt gemacht wurde.
Die Edition Materials/Bechdels besteht aus 500 Plastiktüten, die mit Alison Bechdels bahnbrechendem Comic bedruckt wurden. Der Comic markiert die Geburtsstunde des sogenannten „Bechdel-Tests“, der gender-bezogene Vorurteile im Film ausloten möchte. Die Plastiktüten, die an die Arbeit Shopping Bag des Kollektivs Group Material erinnern, werden von umliegenden Läden und Marktständen am Volkertplatz verteilt und erweitern dabei die Ausstellung in die Umgebung des Ausstellungsraumes, in der erzeugte Wechselwirkungen und Reibungen potentiell beobachtet werden können.
Basierend auf einer Ausstellung des Kollektivs Art Club 2000, steht die nüchterne Büroeinrichtung der Arbeit AC2Ks im Mittelpunkt der Ausstellung. AC2K, eine Gruppe von Cooper Union-Absolvent/innen, die vom Galeristen Colin De Land zusammengebracht wurde, präsentierte 1995 die Ausstellung Working! bei Forde in Genf, einem Kunstraum, den Tegegne von 2014 bis 2016 co-geleitet hat. Die Ausstellung bei Kevin Space entlehnt Elemente der ursprünglichen Installation: Umgeben von Schwarz-Weiß-Fotografien der Arbeitsplätze der Brotberufe der Co-Direktorinnen von Kevin Space und der Künstlerin, laden ein Schreibtisch, Bürostühle und eine Kaffeemaschine die Besucherinnen und Besucher zum Verweilen in der Ausstellung ein.
Als Ort für Diskussionen und Versammlungen konzipiert, wirft die Ausstellung Fragen um Arbeitsbedingungen und jener Mechanismen auf, durch die das künstlerische Milieu strukturell verwaltet, kontrolliert und aufrechterhalten wird. Zu diesem Zweck lud Tegegne das Kollektiv Nous Professionnellxs (Wir, Berufstätige) dazu ein, den Instagram Account von Kevin Space zu übernehmen. Die Initiative unterstützt Künstler/innen und Kulturschaffende, die verschiedene Formen der Diskriminierung erfahren haben und stellt diese in Form von Korrespondenzen bereit, die im Zusammenhang mit beruflichen Beziehungen stehen und von Kunst- und Kulturschaffenden anonym geteilt werden können. Im Verlauf der Ausstellung veröffentlicht die Initiative aktuelle wie auch historische Briefe, in denen die Machtdynamiken innerhalb des Kunstbereichs bloßgelegt werden.
In Genzkens sind fünf Repliken der berühmten Nofretete-Büste (ausgestellt im Neuen Museum Berlin) mit Sonnenbrillen auf der Fensterbank platziert, deren nach außen gerichteten Blicke mit den Passantinnen und Passanten auf der Straße interagieren zu scheinen. In Anlehnung an Isa Genzkens Nofretete Serie (2012-18), hinterfragt Tegegne die Zirkulation und den Besitz von Kunstobjekten sowie die damit einhergehenden vorherrschenden Machtverhältnisse. Nofretete, die im Kanon der Kunstgeschichte als Symbol weiblicher Schönheit verankert ist, stellt auch eine bedeutende Figur für Schwarze Frauen auf der ganzen Welt dar. Die Arbeit kann als Versuch der Künstlerin verstanden werden, Fragen von Aneignung und Repräsentation im Kunstkontext zu verkomplizieren und untersucht dabei, was es bedeutet, wenn Isa Genzken oder die Künstlerin selbst ein solches Bild vereinnahmt, verzerrt und neu konzipiert.
In Regrouping verlagert Tegegne ihren Fokus von einem singulären Subjekt hin zu der Frage, wie Gemeinsamkeiten im Kunstkontext gefunden werden können und stellt dabei wiederkehrende Fragen von Repräsentation und Handlungsmacht, Zusammenarbeit und Solidarität, der Autorenschaft sowie Singularität und Kollektivität in den Raum. Zusammengeführt und miteinander in Dialog gesetzt, erproben die Arbeiten in der Ausstellung, wie kollaborative Arbeit im Kunstkontext präsentiert werden kann. Durch das Zitieren und Erstellen von Bezugsräumen hinterfragt die Ausstellung kunsthistorische, ökonomische und politische Kontexte, indem sie den Wert von kollektiver Arbeit und Konversation neu bekräftigt und die strukturelle Befangenheit etablierter Narrative und unser gegenwärtiges Gesellschaftsmodell in Frage stellt.
Ramaya Tegegne (Schweiz) präsentierte Einzelausstellungen bei u.a. VIS, Hamburg (2018), Park View / Paul Soto, Brüssel (2018), Galerie Maria Bernheim, Zürich (2018), First Continent, Baltimore (2017), Fri Art Kunsthalle Fribourg (2015) und Marbriers 4, Genf (2014). Ihre Performances wurden u.a. präsentiert in der Kunsthalle Basel (2018), Kunsthalle Bern (2017) und dem Swiss Institute, New York (2016). Sie ist Mitbegründerin der Buchhandlung La Dispersion in Genf. 2017 startete sie die Kampagne Wages For Wages Against, die sich für die Entlohnung von Künstler/innen in der Schweiz und anderswo einsetzt.
☞ Im Laufe der Ausstellung wird die Künstlerin den Ausstellungsraum durch eine öffentliche Veranstaltung aktivieren, im Rahmen derer Themen rund um Arbeitsbedingungen, Abwehrmechanismen und Kollektivität in Kunstinstitutionen diskutiert werden:
On Defense
Eine Präsentation und Diskussion mit Ramaya Tegegne im Rahmen der Kampagne Wages For Wages Against (wfwa.ch) zur fairen Bezahlung von Künstler/innen.
Dienstag 9. April,18:30 Uhr
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