Aaron Amar Bhamra & Luz Broto
Handshake
Ausstellung
17. März – 18. Mai 2024
Opening: Samstag, 16. März 16:00 – 21:00


In der Architektur ist der Türgriff eine oft unmerkliche, aber bedeutende Schwelle zwischen der gebauten Umwelt und ihren Bewohnerinnen. Ähnlich wie ein Händedruck stellt er eine direkte und greifbare Verbindung her und lädt Personen ein, den Raum zu betreten und sich mit ihm zu verschränken. Der Türgriff wird zu einem Interaktionspunkt, einer taktilen Begegnung, die über die reine Funktionalität hinausgeht. Sobald man den Türgriff berührt, erzeugt das einen gemeinsamen Moment des Handelns, eine wechselseitige Geste. Der architektonische Händedruck, wird zu einer Brücke zwischen der physischen Struktur und der menschlichen Präsenz, die sie aufnimmt. Diese Metapher des architektonischen Händedrucks in Verbindung mit einer Geste der Gastfreundschaft diente den Künstlerinnen Aaron Amar Bhamra und Luz Broto als konzeptioneller Ausgangspunkt ihrer Ausstellung Handshake. Als sich die beiden Künstler*innen Anfang des Jahres bei Kevin Space trafen, war es ihr gemeinsames Interesse für die Erkundung und Betrachtung von räumlichen Umgebungen und Situationen, das sie verband. Ein Raum kann, ähnlich wie ein Türgriff, eine architektonische Konstruktion sein – ein Ort, der aus verschiedenen Materialien wie einem Holzboden, einem Betonsockel, einer Metall-/Glastür und einer aus Mörtel errichteten Wand geplant und aufgebaut wird. Ein Raum geht jedoch über seine Materialität hinaus. Er ist besetzt mit sozialen, politischen und phänomenologischen Determinanten und alltäglichen immateriellen Beziehungen und Handlungen.

Aaron Amar Bhamra schafft oft Ausstellungsräume, die auf subtile Weise ihre Systematiken und physische Präsenz offenlegen, indem er Aufnahmen von Erinnerungen an andere Räume oder vergangene Ausstellungen platziert. Manchmal verwendet er wiederkehrende Formen und Materialien und webt so einen Ort wechselnder persönlicher und sozialer Archive. Für Handshake entwickelte Bhamra ein neues Arrangement, das aus vier Stühlen, vier mit Wasser gefüllten Gläsern, vier Notenblättern und einem Kartonobjekt besteht und eine Chorprobe inszeniert. Die Abwesenheit der Chormitglieder ändert nichts an dem Umstand, dass der Raum aufgeladen bleibt und auf Konzepte von Anwesenheit/Abwesenheit, Möglichkeiten und Zeitlichkeit verweist. Luz Broto, angetrieben von ihrem Interesse an nicht-normativen Nutzungen von Kunsträumen, Situationen, sozialen Strukturen und kollektiven Prozessen, betritt diese konzeptionelle Bühne und erweitert sowohl (1) die Geste der Einladung als auch (2) das Konzept der Probe. Broto teilt die Geste der Einladung, die ihr ursprünglich von Bhamra als ausstellende Künstlerin und als Teil der Serie "Invited by" zugedacht war, und erweitert diese Abfolge der Einladungen - Kevin lädt Aaron ein, Aaron lädt Luz ein, und Luz lädt die Besucher*innen ein, sich mit dem Raum auseinanderzusetzen und ihn zu nutzen. Konkret bedeutet dies, dass alle, die während der Eröffnung oder während der Öffnungszeiten physisch im Raum anwesend sind, sich an das Kevin Space Team wenden können, um den Code und somit Zugang zum Ausstellungsraum zu erhalten; auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten. Das Protokoll für die Nutzung des Raums wird durch einen Handschlag festgelegt. Während die Probe des Chors in Bhamra’s Ausführung innerhalb der ursprünglichen konzeptionellen Idee bleibt, ermöglicht Broto’s Intervention eine Verschiebung in dem Sinne, dass Bhamra’s Arrangement zu einem lebendigen Akteur in Broto’s ortsspezifischer Intervention wird und umgekehrt – was wiederum an den Ausgangspunkt von Handshake, Wechselseitigkeit und Interaktion, erinnert. Ein Chor kann nun kommen und proben.

Handshake erweitert den Blick und die Funktion jenseits normativer und institutionalisierter Auffassungen von Nutzung, Gastfreundschaft und Zugang und bietet eher einen inklusiven als einen repräsentativen Raum, der 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche offen für alle ist. Die Künstlerinnen wollen die unausgesprochene Sprache der Verbindung durch die Elemente der Ausstellung einfangen, indem sie die Gäste einladen, den offenen Raum nach Belieben zu besetzen und zu aktivieren. So entsteht bei jeder Begegnung ein Wechselspiel zwischen den Komponenten des Raums und den Betrachterinnen, die zu Nutzerinnen werden. Außerdem kann es zu Interaktionen zwischen verschiedenen Besucherinnen kommen, die den Raum gleichzeitig betreten können, ohne sich zu kennen. Mit Handshake stellen Bhamra und Broto die etablierten Vorstellungen und Paradigmen von räumlichen Ausstellungssituationen und die Dynamik von Einladung und Zugänglichkeit innerhalb eines Kunstraums in Frage und hinterfragen die Bedingungen und Ausschlüsse, die durch diverse Regeln und Vorschriften legitimiert werden. Wer fühlt sich durch eine solche offene Einladung angesprochen? Wer hat wirklich einen Nutzen von dieser Art von Raum? Und wer sind die "alle", für die er offen ist?

Durch kleinere räumliche und architektonische Eingriffe wie das Abmontieren von Türgriffen, das Auswechseln des Schließzylinders, das Blockieren des Abstellraums und das Ausstellen der fast nicht vorhandenen Objekte, schaffen die beiden Künstlerinnen einen Raum für soziale Interaktionen und erkunden grundlegende Fragen von Räumlichkeit. Broto, Bhamra und Kevin Space haben den Raum mit wesentlichen Elementen wie Licht, Wi-Fi, Wärme, Wasser, Elektrizität, Stühlen, Gläsern und mehr ausgestattet, um sicherzustellen, dass die Gäste den Raum bequem benutzen können. Während der gesamten Ausstellung möchten wir verschiedene Arten der Nutzung, Interpretationen, sowie Rückstände, die von den Besucherinnen hinterlassen werden, ausmachen, die wiederum in regelmäßigen Abständen von Bhamra dokumentiert werden. Die Künstlerinnen stellen eine wesentliche Frage: Welche Veränderungen können im Raum über einen Zeitraum von zwei Monaten stattfinden, wenn das Team von Kevin Space nur begrenzte Kontrolle über diejenigen hat, die den Raum benutzen? Im Mittelpunkt dieser Untersuchung steht die entscheidende Frage des Vertrauens zwischen den Künstlerinnen, den Besucherinnen und dem Team von Kevin Space. Vertrauen ist hier nicht nur ein abstraktes Konzept, sondern manifestiert sich in der Bereitschaft der Künstlerinnen, ein gewisses Maß an Kontrolle über die Entwicklung ihrer Werke abzugeben. Da die Besucher*innen eingeladen sind, sich in diesem gemeinsamen Raum zu bewegen, kann eine symbiotische Beziehung entstehen, die auf Offenheit und gegenseitigem Verständnis beruht und die traditionellen Grenzen im Bereich der Kunst und ihrer Auseinandersetzung mit dem Publikum überschreitet. Infolgedessen vermischen sich öffentliche Zeit und öffentlicher Raum mit der Logik von Produktion und Konsum des Ausstellungsraums.

¿Können wir dieses Vertrauen halten?

Luz Broto (geb. 1982, Spanien) ist eine Künstlerin, die ortsspezifisch arbeitet und deren künstlerische Praxis sich um eine sorgfältige Auseinandersetzung mit jedem einzelnen Raum dreht. Broto arbeitet mit dem, was einem Raum innewohnt, stellt dessen etablierte Normen, Protokolle und Nutzungen in Frage und löst subtile, aber tiefgreifende Veränderungen in der Funktionalität aus. Sie bewertet architektonische Nuancen, städtische Umgebungen, Infrastruktur, Organisationsstrukturen, Vorschriften und soziale Beziehungen und führt minimale Eingriffe durch, die eine Transformation erlauben. Ihre Arbeiten wurden im Dilalica (Barcelona) präsentiert; Manifesta 14 (Prishtina); Royal Institute of Art (Stockholm); Institute Art Gender Nature HGK (Basel); Maison Des Arts (Brüssel); Flora (Bogotá); MACBA (Barcelona); Centro Botín (Santander); CA2M (Madrid); and Secession (Vienna). Sie ist derzeit Stipendiatin bei Hangar in Barcelona (2022–2024).

Aaron Amar Bhamra (geb. 1992, Österreich) ist ein Künstler, dessen Praxis mit gegebenen Bedingungen interagiert und mit der Idee experimentiert, sowohl Unterschiede als auch Überschneidungen gleichzeitig wahrzunehmen. Er sammelt Fragmente in einem persönlichen Archiv von Momenten, die in verschiedenen Medien wie Objekten, Ton, Text, Zeichnung, Fotografie und Bewegtbild verkörpert sind. Indem er die Fragmente dieses Archivs nachstellt und vor Ort platziert, bildet er einen Ort, eine Ausstellung, eine Leere oder einen Raum für Gespräche. Zu Einzel- und Gruppenausstellungen zählen unter anderem: MAUVE (Wien); SYSTEMA (Marseille); Krinzinger Schottenfeld (Wien); Galerie Le Carceri (Bozen); Wien Museum MUSA; und PHILEAS Project Space (Wien). Seit 2020 leitet Aaron Amar Bhamra zusammen mit Monika Georgieva den Kunstraum Laurenz in Wien.

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “To invite everyone, 2024.Kontext-spezifisher Vorschlag. Offener Zugang zum Ausstellungsraum 24/7. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “To invite everyone, 2024.Kontext-spezifisher Vorschlag. Offener Zugang zum Ausstellungsraum 24/7. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “To invite everyone, 2024.Kontext-spezifisher Vorschlag. Offener Zugang zum Ausstellungsraum 24/7. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “To invite everyone, 2024. Kontext-spezifisher Vorschlag. Offener Zugang zum Ausstellungsraum 24/7. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “To invite everyone, 2024.Kontext-spezifisher Vorschlag. Offener Zugang zum Ausstellungsraum 24/7. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Luz Broto, “untitled (cylinder), 2024. Dimensionen: 3 x 3 x 2.5 cm. Messing. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “a choir of four voices, 2024. Variable Dimensionen. Bedrucktes Papier, Bleistift (1. Sopran, 2. Sopran, 1. Alt, 2. Alt), vier Stühle, Gläser, Wasser. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Aaron Amar Bhamra, “untitled (packaging), 2024. Dimensionen: 74 x 85 cm. Karton. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti

Handshake, Installationansicht (16.3.24, 16:00), Kevin Space 2024. Foto: Maximilian Anelli-Monti