Yuri Pattison
Citizens of Nowhere
Ausstellung
11. März – 23. April 2017


Kevin Space freut sich “Citizens of Nowhere”, die erste Einzelausstellung von Yuri Pattison in Österreich zu präsentieren. Die Ausstellung untersucht gegenwärtige Beziehungen zwischen Wahrheit und Täuschung durch visuelle Kultur, Kommunikationstechnologien, Informationszirkulation und der Organisation von Raum.

“Citizens of Nowhere” entsteht um eine zentrale neue Videoarbeit, welche in eine Architektur aus skulpturalen, digitalen und sich ständig verändernden Elementen eingebettet ist. citizens of nowhere (surveys 03.17) lädt die Betrachter/innen ein, die Ich-Perspektive eines durch bedeutende Attraktionen der sogenannten Industrieländer Welt navigierenden “virtuellen Touristen” einzunehmen. Inkonsistenzen und perspektivisch Zweifelhaftes unterbrechen den scheinbar virtuellen Raum, welcher sich sodann als Tobu World in Tinugawa, Japan entpuppt – einem Themenpark mit 1:30 skalierten berühmten Schauplätzen der Welt, in dem die Bilder aufgenommen wurden. Pattison untersucht diese modellhaften Ansichten der Welt hinsichtlich ihres Vermögens, individuelle und kollektive Geschichte und Wahrheit und somit auch nationale Identitäten zu formen. Überlagert werden die Bilder mit Nachrichten in Echtzeit, die von “alternativen” Quellen herangezogen und durch einen Algorithmus verdreht wiedergegeben werden, wobei eine weitere Realitätsebene hinzugefügt wird. Ebenso wie die laufenden Nachrichten werden auch die Bildmaterialien von citizens of nowhere (surveys 03.17) durch dieses digital signage Verfahren, eine Informationspräsentation wie sie aus Hotel Lobbies, Flughäfen und Unternehmensbereichen bekannt ist, hinzugefügt und über die Dauer der Ausstellung aktualisiert.

Das Ausstellungsarchitektur entlehnt sich ihr ästhetisches Vokabular von Marketing Suites und Showrooms und ähnelt zugleich Bühnenbild einer eigenartigen städtischen Umgebung, welche Pattisons Untersuchungen globaler Städte als Orte der finanziellen Interaktionen zwischen digitalen Apparaten, Körpern, Architektur und Objekten zuzurechnen ist. Eine Wandkonstruktion auf einem Metallgerüst, die den Raum zentral besetzt, dient einerseits als Display und verstärkt andererseits durch seine unschöne und unmaskierte Rückseite, welche Infrastruktur loser Kabel und entblößter Geräte zeigt, das überspannende Spiel zwischen Schein und Realität. Die skulpturalen und digitalen Elemente sind in einer sich im Wandel befindenden Umgebung vernetzt, welche Erfahrungen hervorrufen, die wiederum das Verhalten von Körpern im Raum zu beeinflussen vermögen: in always a golden hour somewhere kreieren an der Decke befestigte LED Panele künstlich beschleunigte Zyklen zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang und verweisen so auf einen global operierenden Finanz- und Arbeitsapparatus, in dem immer irgendwo die Sonne scheint; auf einem HTC Smart Phone abgespielt, läuft in Elitism [/’not everyone wants to live in the city’] auf der Rückseite der Wand der Sound eines 8-stündigen entspannenden Youtube Videos von Stadtgeräuschen, das Konzentration beim Arbeiten fördern soll, über einen in China produzierten und "Authentizität" vortäuschenden Röhrenverstärker und zwei als große Steine getarnte Lautsprecher mit einer Miniaturversion eines als Palme verkleideten Telekommunikationsmaste; Vitra Alcove (kowloon walled city kawasaki warehouse redux) ist ein Arbeitsstuhl mit hohen Lehnen, der designt ist, um Privatsphäre zu schenken und Komfort/Produktivität sowie Arbeit/Leben verschmelzen zu lassen, während auf seinem Tisch montierte Monitore eine Tour durch das gesetzlose und heute abgerissene Kowloon City ermöglichen – einem sozial marginalisierten und abjekten Teil der Megastadt Hong Kong, welcher aus dem Feld des Sichtbaren verdrängt und in Kawasaki Japan als Spielhalle wieder erbaut wurde.
“Citizens of Nowhere” untersucht eine neue Organisation und Präsentation von Informationen – des Sichtbaren und Nicht-Sichtbaren – durch Kommunikationstechnologien und dem urbanen Raum und testet dabei die Machart, Manipulation und Simulation von Erfahrungen aus, welche komplexe und widersprüchliche nationale und globale Identitäten wesentlich formen. In diesem Zusammenkommen visueller, räumlicher und affektiver Sprachen, welche Unterscheidungen zwischen Realität und Simulation zunehmend porös erscheinen lassen, erklärt Pattison das Künstliche als äußerst bedeutungsvoll.

Yuri Pattison (1986, Dublin) lebt und arbeitet in London. Zu jüngsten Einzelausstellungen zählen “sunset provision”, mother’s tankstation limited, Dublin (2016-17), “user, space”, Chisenhale Gallery, London (2016), “Architectures of Credibility”, Helga Maria Klosterfelde Edition, Berlin (2015) und “Free Traveller”, Cell Projects, London (2014). Ausgewählte Gruppenausstellungen sind British Art Show 8, Leeds Art Gallery, tourt durch britische Galerien (2015-17); “The Weight of Data”, Tate Britain, London und “Transparencies”, Bielefelder Kunstverein und Kunstverein Nürnberg (alle 2015). Pattison erhielt zuletzt den Frieze Artist Award 2016.

Kuratiert von Franziska Sophie Wildförster

Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Elitism [/’not everyone wants to live in the city’], Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Elitism [/’not everyone wants to live in the city’], Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Vitra Alcove (kowloon walled city kawasaki warehouse redux),
Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, exhibition view, Kevin Space 2017, Photo: Georg Petermichl
Yuri Pattison, Citizens of Nowhere, Ausstellungsansicht, Kevin Space 2017, Foto: Georg Petermichl