Die nächtliche, in Natriumlicht getauchte Umgebung von Letter to a Barn Owl dient als Kulisse für eine Reihe skulpturaler Objekte, die von dem Porträt einer Schleiereule überblickt werden – das Detail einer Zeichnung von John James Audubon aus seinem Buch The Birds of America (1838). Auch bekannt als "Geistereule", wird diese Eule in vielen Kulturen als Bote ungelüfteter Geheimnisse aus Vergangenheit und Zukunft angesehen, und somit auch als Bote verborgener Geschichten über marginalisiertes oder ausgelöschtes Wissens.
Letter to a Barn Owl entfaltet sich um ein Psychic Reading, das Paul Maheke während eines Aufenthalts in der Dominikanischen Republik von dem Künstler und Dramatiker Asher Hartman im vergangenen Jahr gegeben wurde. Die Ausstellung folgt Mahekes Recherche – durch Installation, Skulptur, Text und Sound – über den Körper als Archiv und Ort, in und an dem soziopolitische Spannungen zwischen Auslöschung und Hypervisibilität ausgelebt werden. Maheke lässt dabei oft Tanz und Musik in seine Arbeiten mit einfließen, um die Beziehungen zwischen Objekten, Sprache und Körper zu erforschen. Im Einklang mit seiner vorherigen Untersuchung, die sich kürzlich in seiner Einzelausstellung A fire circle for a public hearing in der Chisenhale Gallery, London (2018) manifestierte, diskutieren geisterhafte Gegenwarten in Letter to a Barn Owl die Komplexität verkörperter Geschichte, Herkunft wie auch Erinnerung in einer Überlagerung von Erzählungen, Medien und Ästhetik; eine nicht-hierarchisches Verkettung als Strategie, die Konversation um Identität und ihre Repräsentationen zu verkomplizieren.
Die skulpturalen Elemente – in Beziehung stehend zu den sinnlich angeordneten Vorhängen sowie der Lichtsituation und Klangarbeit, die den Ausstellungsraum durchfluten – ermöglichen eine feinsinnige Erfahrung, die Mahekes Interesse an abweichenden Sehweisen, ontologischen Registern und kulturellen Repräsentationen aus dem Westen fördern. Die wissenschaftlichen, stilisiert romantisierten oder exotisierten Bilder der Schleiereule stellen im Rahmen der Ausstellung einen wesentlichen Widerspruch dar: den Willen, das Sichtbare zu katalogisieren, gegen das, was vom übermittelten, gängigen, westlichen Wissen ausgeschlossen wird.
Die Soundarbeit im Zentrum der Installation Letter to a Barn Owl, 2018 (83 Min.), umhüllt den Ausstellungsraum, der durch membranartige, durchscheinende braune Vorhänge geteilt wird. Der vordere Teil wird in einen gesättigten goldenen Farbton getaucht, der in das kältere natürliche Licht übergeht, das von dem Fenster im hinteren Teil des Raumes scheint und, möglicherweise, auf die symbiotische Beziehung der sichtbaren und verborgenen Seite des Mondes verweist.
Eine zwischen erster und zweiter Person oszillierende Erzählstimme führt den Zuhörer durch das neu aufgezeichnete Psychic Reading, das uns auf eine Reise durch Herkunft wie auch vergangene, gegenwärtige und zukünftige Leben nimmt. Begleitet von einem unheimlichen Gitarren-Soundtrack — aufgenommen von Simon Maheke, dem Bruder des Künstlers — und schweren Bass-Partituren, erfüllt die narrative Soundarbeit den Raum mit mehreren Erzählungen, die in Mahekes Körper entstehen und zusammenlaufen, "wo Archiv, Erinnerung, marginalisierte Identitäten und der koloniale Körper wie Geister wieder erscheinen."
Annäherungen an Fragen zu Heimat und Zugehörigkeitsgefühl, die in der Séance immer wieder auftreten, setzen durch Komplikationen, die durch die Begegnung widerstreitender Erinnerungen entstehen, generationenübergreifendes und zerstreutes kulturelles Erbe in Kraft. Der Körper kann hier nicht auf seine physische Form reduziert werden, sondern wird durch ein Zusammenspiel von materiellen und immateriellen Kräften verstanden.
Eine solche Unternehmung zeigt sich auch in den Kombinationen häuslicher, in Skulpturen verwandelter Objekte – umfunktionierte Elemente wie Teller, Vorhänge und Spiegel –, die mit oder über einen Körper sprechen können, ohne ihn zu repräsentieren. Sie werden hier für Jericho-Rosen oder "Auferstehungsrosen" verwendet — entwurzelte Pflanzen, die aus ihrem Ruhezustand wiederaufleben können, wenn sie mit Wasser versorgt werden. Die Pflanze wird in vielen Ritualen unterschiedlicher Religionen und Kulte verwendet: beispielsweise in Santeria, einer afro-amerikanischen Religion karibischen Ursprungs, in der die Pflanze dem Geist (Orisha) von Donner und Blitz dargebracht wird, um Stimmen freizusetzen, für Wohlstand und Segen. Die Rosen werden während der gesamten Dauer der Ausstellung kontinuierlich bewässert und verwandeln sich dabei von scheinbar verwelkt bis voll erblüht.
Paul Maheke (geb. 1985, Brive-la-Gaillarde, Frankreich) präsentierte Einzelausstellungen bei: Chisenhale Gallery, London (2018); Galerie Sultana, Paris (2017); Assembly Point, London (2017); Center, Berlin (2017); and South London Gallery (2016). Zu ausgewählten Gruppenausstellungen zählen u.a. Baltic Triennial XIII (2018); 'The Centre Cannot Hold Itself', Lafayette Anticipations, Paris (2018); Tate Modern, London (2017); Diaspora Pavilion, 57th Venice Biennale (2017); und Akademie der bildenden Künste, Wien.
Diese Ausstellung wurde in Kooperation mit Phileas – A Fund for Contemporary Art produziert.